Massendefekt und Kopfecho in der Pumpe – eine Art Dokument gegenwärtiger Befindlichkeiten

Von Jörg Meyer

Kiel. „Da liegt ein Meer zwischen uns“, so im Titelsong des jüngsten Albums „Pazifik“ der Band Massendefekt, mit dem sie das Konzert in der Pumpe eröffnet. Wofür steht solches weite Meer als nicht unromantische Metapher, fragt man sich, mal absehend von dem ziemlichen Dampf, den die vier Düsseldorfer von Anfang an im Kessel haben. Schwingen da Sehnsucht, Fernweh mit oder steht das weite Meer für die Suche nach einem Weg hinüber?

In „Der Weg“ ist man sicher, diesen „noch meilenweit zu gehen“, selbst wenn es in „Mauern“ heißt: „Wir treten schneller auf der Stelle, doch wir kommen nicht hinterher.“ Diese seltsame Kombination zwischen stetem Voranschreiten und Stillstand – immerhin kein Rückschritt – bestimmt auch die weiteren Songs von Massendefekt.

Auf der Suche nach „Neuen Wegen“ – Kopfecho (Foto: www.kopfecho.com)

Rückblende: Ebenso die Supportband Kopfecho um die energetische Sängerin Amy sucht nach einem Vorwärts auf „Neuen Wegen“ – so titelt sogar ein Song – und andererseits Zurückweichen aus unerträglichen Situationen, seien diese privat oder politisch („Nicht akzeptieren“). Harte Beats und volles Gitarrenbrett fordern immer wieder: „Geh nach vorn!“, „Vorwärts, nicht zurück!“, und Tickets auf dem langen Marsch durch die Institutionen (um mal diesen alten Begriff zu bemühen) werden natürlich „ohne Rückfahrt“ gebucht („Stück für Stück“).

Es ist womöglich überinterpretiert, aber man kann in den Songs beider Bands ein trotz aller punk-poppigen Aufsässigkeit verunsichertes Lebensgefühl entdecken, das symptomatisch ist für heutige Zeiten, wo Europa und die Welt politisch auf der Stelle treten. Wo sind – auch in der Musik – Visionen, die sich nicht in einem „Vorwärts immer, rückwärts nimmer“ erschöpfen?

„Du hast den letzten Funken zu Asche gemacht“, wissen Massendefekt, gehen zu kämpferischem Bass-Riff „Singend durch die Hölle“ und wissen nicht, „wo du stehst“ (Kopfecho) oder „Wo ich dich finde“. Letzteres Fragezeichen und auch das Cover von Rio Reisers „König von Deutschland“ bietet dem danach geradezu gierigen Publikum immerhin die Möglichkeit, zum melodisch eingängigen Refrain zu tanzen und mitzusingen. – Bevor die Dystopie des „Maschinenmenschen“ beschworen wird.

Infos und Hörproben/Videos: www.massendefekt.de, www.kopfecho.com