Kieler Kunsthalle zeigt die großformatigen Bilder des Schweizers Franz Gertsch

Von Hannes Hansen

Foto: Kunsthalle Kiel

Kiel. Nein, sagt Franz Gertsch, ein Fotorealist sei er ganz und gar nicht, und wer ihn einen nenne, habe nicht genau genug hingeschaut. Seit vergangenem Samstag haben die Besucher der Kieler Kunsthalle, die Gelegenheit, die Aussage des Schweizer Malers, dessen großformatiges Gemälde „Les-Saintes-Maries-de-la-Mer“ seit vielen Jahren die Besucher der Kieler Kunsthalle im Foyer des ersten Stocks begrüßt, zu überprüfen.

Foto: Kunsthalle Kiel

„Bilder sind meine Biografie“ nennt die Kunsthalle die Ausstellung der Gemälde und Holzschnitte Franz Gertsch’, die zur Zeit in ihren Räumen zu sehen sind. An ihnen wird deutlich, was Franz Gertsch meint, wenn er davon spricht, dass es ihm darum gehe, Realität in Malerei, Alltagswirklichkeit in Kunst zu verwandeln.

Dazu benutzt er Fotos – meist selbst geschossene –, die er als Dias auf Leinwände von mitunter mehr als 3 x 4 Meter Größe projiziert. Diese naturgetreuen Abbilder der Wirklichkeit verwandelt der Maler auf eine Weise, die von ferne an die Seerosenbilder Monets mit ihrem in die Abstraktion im Detail getriebenen Realismus erinnert. Wie Monet schafft Franz Gertsch gewissermaßen Vexierbilder: Sieht man die riesigen Gemälde aus einigen Metern Entfernung, so erscheinen sie bei flüchtiger Betrachtung durchaus als detailgetreue realistische Abbildung der Wirklichkeit. Tritt man dann aber näher heran, so kehrt sich der Eindruck sprungartig um. Man sieht, wie sich die Realität in reine Malerei und autonome Farbflächen verwandelt, die das vorgegebene Sujet, das häufig genug zweitrangig, manchmal gar banal ist, transzendieren. (Dass das auf den hier gezeigten Fotos nicht immer zu erkennen ist, liegt in der Natur solcher Bilder: sie sind einfach zu klein.)

Erst im Jahre 1970, als der 1930 geborene Maler bereits 40 Jahre alt war, fand Franz Gertsch zu diesem charakteristischen Malstil, mit dem er schnell bekannt wurde, etwa auf der Documenta V von 1972, auf der ihn der einflussreiche Kurator Harald Szeemann prominent herausstellte. Frühere Aquarelle von einer Schottlandreise, schnell in Farbräusche umgesetzte Landschaftsimpressionen, die auf der Galerie im ersten Stock der Kunsthalle zu sehen sind, lassen nicht erahnen, wohin, die Reise geht.

„Silvia I“

Dabei sind die in Kiel gezeigten Gemälde durchaus unterschiedlicher Natur. Ist das erste Bild von 1970, „Maria und Benz“ betitelt, noch etwas tastend, so wird die Malerei zunehmend sicherer und gipfelt über mehrere Zwischenstationen in „Silvia I“, dem Porträt einer jungen Frau, die, je länger man sie betrachtet, immer rätselhafter wird. Ganz heutig, scheint sie doch aus einer früheren Zeit in die Gegenwart transportiert worden zu sein, etwa aus der Frührenaissance und einer an Piero della Francesca erinnernden sanften Farbgebung.

Ein letztes, erst für die Kieler Ausstellung entstandenes Werk schließlich ist die „Große Pestwurz“, die ins geradezu Monströse vergrößerte Darstellung eines Blattes dieser Pflanze.

Foto: Kunsthalle Kiel

Ganz einzigartig und unverwechselbar auch die ebenfalls riesenhaften Holzschnitte. Mit dem Hohleisen hebt Franz Gertsch kleine, nicht einmal einen Millimeter große Lichtpunkte aus, die sich auf eine Weise zu einem Bild zusammensetzen, die man pointillistisch nennen möchte und die wie die Gemälde einen Realismus höherer Ordnung schaffen.

Kunsthalle Kiel, „Franz Gertsch. Bilder sind meine Biografie“. 11.11.2018 – 24.2.2019. Öffnungszeiten Di – So 10 – 18 Uhr, Mi 10 – 20 Uhr. Katalog 19,80 €.