Das Aris Quartett wurde in der Stadthalle reich beklatscht

Von Jörg Meyer

Eckernförde. Bach, „Kunst der Fuge“, dieses kontrapunktische Werk, wie eine geometrisch-vierdimensionale Figur, kann man da Leidenschaft entwickeln? Das Aris Quartett (Anna Katharina Wildermuth und Noémi Zipperling, Geigen, Caspar Vinzens, Bratsche, Lukas Sieber, Cello) kann’s. Nicht von ungefähr eröffnet das junge Quartett so sperrig zwiespältig sein Konzert in der Stadthalle.

Doch die Vier sind eigentlich auf einem ganz anderen Tripp: Romantik à la Dvorák und Moderne à la Leos Janácek, die beide Bach ins Neue der Leidenschaft übersetzen. Schon Bach war in all seiner Strenge Leidenschaft, Leiden und Sünde als gleichsam Urmensch- und Musikalisches, was das Quartett selbst in die strenge Fugen-Form und aus der heraus kassibert.

Wo da die Form regiert, ist es bei Janácek umso leichter – und schwerer, denn in seinem „Streichquartett Nr. 1 – Die Kreutzersonate“, eng bezogen auf Tolstois gleichnamige Novelle, eskaliert ein Rosen-Krieg in der Musik bis zum Gattinnen-Mord. Da wird gefleht, geflennt, gesäuselt, geteaset, wild geküsst, und umso mehr gewütet. Das Quartett gibt sich all diesen Leidenschaften hin. Ganz großes Drama, wie es der vor allem Opernkomponist Janácek sich bei seinem Ausflug in die Kammermusik dachte.

Leidenschaftliche Streicher: Das Aris Quartett (v.l.: Anna Katharina Wildermuth, Noémi Zipperling, Caspar Vinzens, Lukas Sieber) (Foto: ögyr)

Streichen zu viert, das sind gleichwohl die, wie Haydn sagte, „vier ernsten Herren, die sich unterhalten“. Streichquartett ist eigentlich „absolute“ Musik ohne jedes Programm. So war’s wohl in der Wiener Klassik. Aber das Aris Quartett übersetzt solche intellektuelle Trennung vom Lebendigen ins absolut Leidenschaftliche. Zumal sich Janácek anders als Tolstoi auf die Seite der Frau stellt, wie Caspar Vinzens in seiner einleitenden Moderation behauptet. Man hört das aus den 16 Saiten, wie sie sich windet, zärtlich ist, vergeblich, wie sie fleht und greint, auch mal keck – und doch ist dieses Paar todgeweiht. Fast filmmusikdramatisch inszeniert das Aris Quartett den archetypischen Kampf zwischen Mann und Frau.

Umso entspannter kommt Dvoráks „Streichquartett Nr. 13, G-Dur, op. 106“ daher. Sehnsucht, Heimweh, auch so intensive Leidenschaften, empfand der Komponist, als er in Amerika weilte. Zurück in Europa war seine Schaffenskraft gestärkt, die Melodien, von Spirituals inspiriert, fielen ihm geradezu in den Schoß. Auch dieses positive Gefühl geht dem Quartett locker von den Saiten, schwingt, um nicht zu sagen, swingt. Und so sind Fugen- und Ehedramen beinahe vergessen, der Applaus noch stärker.