Gregor Meyle überzeugte in der Halle 400 mit seinem neuen Album „Hätt’ auch anders kommen können“

Von Jörg Meyer

Kiel. „Unfassbar stolz“ ist Gregor Meyle auf sein Album „Hätt’ auch anders kommen können“, das er neben altbewährten Singer-Songwriter-Balladen in der fast ausverkauften Halle 400 vorstellte. Den Stolz kann man ihm unumwunden gönnen, denn gerade in den neuen Songs befreit er sich von dem Image, ein bloßer Kuschel-Barde, zuweilen hart am Kitsch, zu sein.

Kurz nach Erscheinen des neuen Albums 40 geworden, blickt Meyle zurück und voraus. Auf das, was noch kommen mag – und bleiben wird, obwohl alles eben auch anders hätte kommen können. Der Erfolg bei Stefan Raabs Casting-Show vor elf Jahren und bei „Sing meinen Song“ hätte auch durchaus eine Eintagsfliege bleiben können. Umso dankbarer gibt sich Meyle im Titelsong des neuen Albums, eine Dankbarkeit, die so persönlich und authentisch „Von ganzem Herzen“ (Opener des neuen Albums) ist wie in der sanften Lullaby-Ballade „Das Schönste auf der Welt“, in der er die Geburt seiner Tochter besingt. Von der Ballade auf seine verstorbene Mutter, „Stolz auf uns“, nicht zu schweigen. Wieder einmal zeigt sich – und das müssten sich alle Pop-Poeten hinter die Ohren schreiben –, dass ein Lied dann besonders gut ist, wenn es von echten und nicht nur geliehenen Gefühlen gespeist ist. Dass manchem das dennoch als Kitsch erscheint, mag allein an dessen mangelnder Empathie liegen.

Gregor Meyle (Pressefoto)

Das Leben selbst schreibt die besten Geschichten. Und die sind zuweilen auch tief traurige wie in der melancholischen Ballade „Die Chance“, handelnd von einem Arbeitslosen, der aus Scham seine Familie verlässt. Auch dieses ältere Lied kommt im Sound-Gewand der hochkarätig besetzten Champions-League-Band, die Meyle begleitet, hier mit sehnender Bagpipe als Melodieinstrument, noch ergreifender herüber.

Meyles Lieder und die Arrangements der Band loten jeweils die Höhen und Tiefen des Gefühls aus, sind sich nicht zu schade, auch mal hymnisch zu werden, wenn die Bläser sich ins Zeug legen. Oder latinisiert tänzerisch in Richtung Salsa und Samba, beziehungsweise mit mancher Avance zu Country und Irish Folk.

Und darin darf – und muss vielleicht – manchmal dick aufgetragen werden. Wie mit knalligem Bläsersatz in „Nichts ohne Grund“, wo Meyle und wir Zuhörer dem Schicksal einerseits die Stirn bieten, andererseits es akzeptieren als die Institution, die weiß, was kommt, was bleibt – und wo das alles hin soll.

Schicksal, freilich, großes Wort! Doch es erweist sich in Meyles Songs, in denen immer auch alles hätte anders kommen und klingen können – dieser Schwebezustand macht die Spannung aus –, als gleichsam guter Hirte. Es weiß, wo es mit uns hin will. Pathos? Ja! Aber wenn nicht hier, wo anders wäre es angebracht?

Und wenn das Publikum, viele verzückt lauschende und kuschelnde Liebespaare, dazu nicht nur die Handy-Fackeln schwingt, sondern auch leise mitwippend oder manchen Refrain mitsingend tanzen kann, dann ist da ganz viel Hoffnung.