Joja Wendt begeisterte mit „Stars on 88“ im Schloss
Von Jörg Meyer
Kiel. Leuchtende LED-Handschuhe, Michael Jacksons „Thriller“ auf 88 Tasten, Lightshow-Feuerwerk: Klavierakrobat Joja Wendt legt schon den Opener im fast ausverkauften Schloss ganz groß an. Die Lichter, vor allem aber die Klaviertöne zucken.
Dabei lag all der „Thrill“ doch schon im Jugendzimmer auf den Vinyl-Plattentellern. Joja schaut zurück, was ihn einst und uns noch immer faszinierte, anregte, es nicht nur nachzuspielen, sondern dabei zu transformieren. „Stars on 88“ nennt er sein neues Programm und Album, bei dem er selbst der Star ist, der Klassik, Pop und Hardrock quer durch die musikalischen Gärten blütenfrisch knospen lässt.
Immer im Boot und am Baum der Boogie, mit dem er einst in Bars sein erstes Brot verdiente. Fast könnte man meinen, dass sich alles „verboogien“ lässt von Chopin bis back to Bach. Zumindest unter Jojas quirligen Fingern, welche die berühmten 88 Tasten massieren, so geschwind, dass selbst das seine Hände projizierende HD-Live-Video kaum nachkommt. Nach dem „Thriller“ schaltet er erst mal einen akrobatischen Gang zurück, entzückt das Publikum mit Leonard Cohens „Hallelujah“, das er in „Hallo Joja“ ummünzt und das „sehr intelligent“ (Joja) mitsingende Publikum gleich bei sich hat. Joja ist eben auch ein begnadeter Entertainer. Schuberts „Impromptu Es-Dur“ so „sweet“ nachgereicht, dass man selbst da innerlich mitsummen muss.
Chopin meets hernach Rachmaninow – via „Chopin-Rolle“, „Rachmaninow-Leiste“ und „Mozart-Kugel“, Gimmicks, die Wendt nicht minder gewandt und zugleich humorvoll einsetzt. Und noch mehr aus dem Plattenschrank: Er hält ein Album von Art Tatum hoch, von dem Wladimir Horowitz sagte: „Bloß gut, dass er nur Jazz, niemals Klassik spielte, wir hätten sonst alle einpacken können.“ Gilt irgendwie auch für Joja Wendt, der Tatums „Stomping At The Savoy“ mit der „intuitiven Kraft des Instruments“ so flink herunterspult, als drehte sich der Plattenteller mit 45 statt 33 Umdrehungen.
Bezaubernd dagegen das sanfte Pianissimo in Princes „Purple Rain“. Als „Mozart der 80er Jahre“ bezeichnete man ihn einst, Joja kann als selbiger der 2010er Jahre gelten. Doch gleich macht er wieder auf ganz groß in Ed Sheerans Radio-Rotation-Hit „Shape Of You“. Wohl das virtuoseste Stück des Abends, zumal Wendt das „ganz analog“ macht, also ohne moderne Techniken wie Looping. Sind da wirklich nur zehn Finger am Werk, oder doch eher mindestens 15?
Und wenn er dann AC/DC performt, die „Energie einer Hardrock-Band“ „thrilling“ entfesselt, sich dafür auf dem Klavierhocker vorsichtshalber doch anschnallt, ist der Beifall ob solcher Kunst auf 88 Tasten ebenso völlig erstaunt wie unbedingt jubelnd.
Infos und Hörproben: www.jojawendt.de
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