Eine kleine Polemik zum Ende der Buchhandlung Cordes

Von Helmut Schulzeck



Kiel. Die ehemals durch ihre Autorenlesungen bundesweit bekannte und deshalb beinah als legendär beleumundete Kieler Buchhandlung Cordes in der Willestraße wähnten viele ihrer früheren Fans und treuen Kunden schon seit etlichen Jahren unter den lebenden Leichen. Lange bevor sie nun tatsächlich zum Jahreswechsel das Zeitliche segnete.

Selten entdeckte man auch nur irgendeinen Käufer im Laden, wenn man im Vorübergehen durch das große Schaufenster ins Geschäft lugte. Längst schon schien die Bücherstube ihre gemütliche, literarische Atmosphäre der intellektuellen Neugierde und geistigen Regsamkeit, die diese räumlich kleine Buchhandlung einst besonders vor allen anderen am Orte auszeichnete, verloren zu haben. Anstatt dessen verströmte der Laden nun paradoxerweise in einer Art alphabetisierender Agonie die morbide Indifferenz einer auch unanwesenden 2.0-Antiprint-Leserschaft, die mit gespielter Mitleidsattitüde auf die schwindende Gruppe der Bücherfreunde zurück blickte und das Buch bestenfalls noch als nostalgisches Dekorationsteil fürs Wohnzimmer des gehobenen Mittelstandes begriff.

Die Bedienung schien sich in dieser trüben Einöde ihre vier Buchstaben platt zu sitzen. Ob sie die Besitzerin war, wusste niemand zu sagen, denn praktisch traute sich, wie schon bemerkt, kaum noch jemand ins Geschäft, aus Angst, auch ihn würde die unendliche Trübsal ergreifen, die diesen Raum zu beherrschen schien. Ja, zeitweilig ging sogar selbst unter städtischen Beamten aus dem benachbarten Rathaus, die einst zur zahlreichen Stammkundschaft gehört hatten, das traurige, unglaubwürdige Gerücht um, dass es sich bei dem Laden jetzt um ein geschickt getarntes Lobby-Büro einer bibliophoben Organisation handeln würde, die mit der ’Ndrangheta aus Kalabrien in Verbindung stünde.

Wie dem auch sei, das offizielle Ende der Buchhandlung Cordes kann niemanden überraschen, wenn man bedenkt, wie tüchtig und kreativ Oberbürgermeister und Stadtbaurätin darum bemüht sind, mit zahlreichen städtebaulichen „Glanzleistungen“, zu denen an vorderster Stelle die Schaffung des Kleinen Kiel-Kanals zählt, die Kieler Innenstadt zu beleben.