Esther Kaiser sang im Kulturforum ihre „Songs Of Courage“
Von Jörg Meyer
Kiel. So ist das mit der Revolution, sie ist 50 oder 100 Jahre her, sie woodstockt nicht mehr, hat vielmehr ihre Blumenkinder längst gefressen. Und dass am Tag genau vor 100 Jahren des Auftritts der Berliner Jazz-Sängerin Esther Kaiser im Kulturforum Frauen zum ersten Mal ein Parlament wählen durften, wer kann das noch erinnern?
Esther Kaiser und ihr Trio (Rüdiger Krause, Gitarre, Marc Muellbauer, Kontrabass, Roland Schneider, Schlagzeug) versuchen es auf ihrem neuen Album „Songs of Courage“. Denn Mut zur eigenen Courage braucht es nach wie vor, sich gegen die Verheerungen „des Systems“ zu stellen. Mit Jazz-Versionen alter Protestsongs, die sich die von Pete Seegers „Where Have All The Flowers Gone?“ über Bob Dylans „Masters Of War“, David Bowies wieder hochaktuellem „This Is Not America“ bis hin zu Klassikern von Brecht/Eisler so anverwandeln, als könnten sie in ein noch zu schreibendes „revolutionäres Songbook“ passen.
Natürlich sind Kaiser und Co. nicht so naiv zu glauben, dass sie Rosa Luxemburgs in ihrem letzten Artikel vor ihrer Ermordung der Revolution hoffnungsvoll zugeschriebenen Diktum „Ich war, ich bin, ich werde sein!“ Nachschub geben könnten. Doch es ist Kaiser ein Anliegen, all diese historischen Impulse nicht nur nicht zu vergessen, sondern für den Jazz als neu geschaffenes kulturelles Erbe aufzubewahren und fortzusetzen.
So lässt sie in einer zauberhaft brüchigen Ballade Brecht/Eislers „Kleinem Radioapparat“ seine „Lampen“ wieder glimmen. Und all den heutigen Exilanten gibt sie mit ihrem eigenen Song „Wanderer Between The Worlds“ eine mutige afrikanische Stimme – im alltäglichen Flüchtlingselend, dem hierzulande inzwischen nur noch eine Minderheit etwas human entgegensetzen mag.
Das begreift sie mit Nina Simone als „An Artist’s Duty“. Alle Kunst, besonders der per se multikulturelle Jazz, sei „mehr als eine Wohlfühlkulisse“, müsse vielmehr „Geschichten erzählen, die uns angehen, etwas mit uns machen.“ Und wenn dann Lennon/McCartneys „Revolution“ durchs Megafon erschallt, sind wir genauso dabei wie in der Zugabe, wo Stings „Fragile“ auf Pete Seeger trifft: „We Shall Overcome!“
Infos und Hörproben: www.estherkaiser.de
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