Die Hamburger Techno-Marching-Band Meute begeisterte im MAX Nachttheater

Von Jörg Meyer

Kiel. Das ist mehr als ein Youtube-Hype, was die Trompeter Thomas Burhorn und Hans-Christian Stephan 2015 in der Homebase des Hamburger Schanzenviertels auf 22 Beine stellten. In ihren sich in den Sozialen Medien viral verbreitenden Adaptionen von Techno/House-Hits für eine Blaskapelle plus Percussion vereinen sie Blech und Beats kongenial. Im ausverkauften MAX Nachttheater, wo sie am Freitag auf der vierten Station ihrer „Europa 2019“-Tour gastierten, brachten sie die normalerweise nur elektronisch gekickte Rave-Gemeinde auf volle Touren.

Zwar pumpen die Bass-Beats (hier von Pauke, Posaune und Bariton-Saxofon) schon im Opener „Gula“ (gerade erschienene neue Single) wie sonst aus der Eletronik, aber noch hallt wider, was sich die Meute für den Vorspann ausgedacht hat: Nichts weniger als einen Clip aus dem Eröffnungschor von Bachs „Matthäuspassion“. Das setzt schon ganz zu Beginn Zeichen, dass die Meute nicht nur technoid, sondern auch sinfonisch denkt. Und passt zu ihrem Credo, das Techno und House etwas „Archaisches“ innewohnt, das nur das analoge Blech aus der elektronischen Sterilität wiedererwecken kann.

Rave-technisch funktioniert das wie auf dem Dancefloor. Da sind die Breaks mit funky Improvisationen einzelner Bläser, da wird der Sound konsequent vom Bass-Fundament aus aufgebaut, die Spannung erhöht, bis sie sich im wieder einsetzenden Beat – wie ein Orgasmus – entlädt. Da gehen die Hände hoch, die Hüften und Herzen wiegen sich, mancher springt im Beat, Konfetti fliegt von der Bühne, und junge Frauen jubeln auf den Schultern ihrer Partner. Ganz wie beim Rave eben – und doch anders.

Denn wenn die Trompeten sich im Takt wiegen und ihre melodischen Tunes in einem Rhythmus loppen, in den buchstäblich jeder mit muss, gedenkt der kundige Hörer auch mal an Altväter des Easy Listenings wie James Last. Vor solchen Assoziationen und auch an Balkan Beats, Ska, Funk und Soul (grandios das Dennis-Ferrer-Cover „Hey Hey“, in dessen Refrain-Ruf das Publikum sofort einsteigt) haben Meute keine Angst, im Gegenteil, sie scheinen beabsichtigt.

In den Soli hört man den Link zur frühen, swingenden Bigband-Tradition, bis zurück zum Dixie. Meute spannen die musikalischen Bögen auch epochal weit und sind dabei doch ganz aktuell – soweit 90er-Rave noch eine Option ist. Mit der Meute unbedingt! Jetzt sind die Bläser, meist wärmer als jegliches Elektro-Sample, das im House übrigens gern verwendet wird, auch mal angeschärfter, in „You & Me“ – auch so ein viraler Hit – auch rhythmisch komplexer. Bei Meute sei jede Note genau komponiert und getimet, analysiert die Presse. Neuerdings gibt es aber mehr Freiraum für improvisierte Soli, was den starren Beat immer wieder auflöst, um ihn nach der Bridge stets so saftig federnd einsetzen zu lassen.

Gleichsam als Erlösung, die zu jeder Anspannung gehört und die „Währung“ des Rave ist. Und wenn dann im fulminanten End- und Höhepunkt von „The Man With The Red Face“ (nach Laurent Garnier) das Blech und die Beats im inspirierten Gegeneinander einander umspielen, sind marching Brass, Bigband-Jazz, House, Rave und nicht zuletzt Band und Publikum wundervoll vereint.

Infos: www.meute.eu