Punk-Veteranen Wizo im MAX Nachttheater
Von Jörg Meyer
Kiel. „Ich war, ich bin, ich werde sein“, legte einst Rosa Luxemburg der Revolution in den Mund. Jene Kontinuität der Revolte bis heute beansprucht das 1986 gegründete und 2009 wiedergeborene Punk-Trio Wizo weiterhin trotzig für sich. Selbst wenn Axel Kurth (Gesang, Gitarre), Ralf Dietel (Bass) und Alex Stinson (Schlagzeug) ihre Tour „Schönheit des Verfalls“ nennen, ist von letzterem im fast ausverkauften MAX Nachttheater kaum etwas zu spüren.
Punk und seine Revolte sind eben einfach nicht tot zu kriegen, auch wenn sie gelegentlich wie ein verewigtes Retro wirken. Wie die Kutten mancher Zuhörer: schwarzes Leder, silberne Nieten, vollgepflastert mit Antifa-Stickern, und oben auf dem stolzen Haupt der knallbunte Irokese. Aber was soll man machen, wenn sich im buchstäblichen Grunde einfach nichts ändert, wenn „Scheiße kommt, Scheiße geht“ – und wiederkommt, wie es im Opener „Hey Thomas“ vom in 25 Jahre gekommenen Album „Uuaarrgh!“ heißt. Und noch genauso aktuell ist wie der Song „Überflüssig“, wo alle Systemrelevanten ihr Fett weg bekamen und trefflich geteert und gefedert wurden. Auch für die Verleihung des „Goldenen Stücks Scheiße“ gibt es nach wie vor vielerlei Kanditaten – vom Feindbild Rechtspopulisten bis hin zum Papst, zwar sozial mal etwas fortschrittlicher, aber mit seiner Homophobie im finsteren Mittelalter, wie Sänger Axel den angejahrten Song einleitet.
Was könnte helfen? Nur die Erinnerung an frühere Revolten. So trifft Wizos High-Speed-Variante des Titelsongs von „Pippi Langstrumpf“, Veteranen bekannt von vielerlei Demos, auf offene Ohren und begeistert mitsingende Kehlen. Auch sonst ist die leicht ergraute neben der nachwachsenden Punk-Generation enorm textsicher, selbst wenn Wizos Fun-Punk in mitsingbaren Liedern wie dem eigentlich doch recht hintergründig metaphorischen „Seegurke“ in die Untiefen unserer privatisierten Revolte lotet.
Das relativ neue „Adagio“ vom 2016er Album „Der“ klingt fast wie ein Abgesang. Und dennoch: Mit Wizo ist auch der Zweifel noch revolten-relevant, wenn es im einverstandenen Chor mit dem Publikum heißt: „Nennt es ruhig Wahnsinn oder Utopie, ich träume weiter von Anarchie!“
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