Vocality begeisterten im Kulturforum
Von Jörg Meyer
Kiel. Zwei Trios, vokal Claudia Burghard, Nils Ole Peters und Maybebop-Mastermind Oliver Gies, dazu auf dem Klavier Markus Horn, am E-Bass Lars Hansen und Drummer Dieter „Zipper“ Schmigelok, erfinden als Vocality den Jazz ganz neu und ungemein sexy. Zumal das Sextett nicht nur im Haifischteich der Jazz-Standards fischt, sondern auch im Planschbecken des 80er-Pop Close Harmony-Wellen schürt.
Für Oliver Gies ist das ein lang gehegtes Herzensprojekt. Schon vor 17 Jahren fand sich die Band einmal zusammen, um dann aber getrennte Wege zu gehen. Die Reunion beider Trios erweist sich im Kultuforum als ein Volltreffer zwischen A-cappella und Jazz-Sextett in ungewöhnlicher Besetzung. Die „Open Invitation“ (Carlos Santana, New York Voices) bringt das schon am Anfang auf den Punkt. Den Bossa-Beat versehen die „fabulous Six“ mit swingendem Schwung zu einem ungemein energetischen Opener. Auch „olle Jazz-Standards“ (Oliver Gies) aus dem „Real Book“ wie Billie Holidays „Moonglow“ bringt die Band zu groovend neuem Glanz. „Blue“ trifft hier auf „Cool“ mit reichlich „hottem“ Gewürz – und Scats, die sich nicht gewaschen haben, sondern angenehm „dreckig“ daherkommen, besonders in der fulminanten Zugabe.
Solcher Modus der Neuaneignung funktioniert nicht minder bei Pop-Songs. Der Level 42-Hit „Lessons In Love“ zeigt, vom Disco-Idiom in das des Jazz übersetzt, seine wahre, komplex harmonische Gestalt. Die Parole für solche gelungene Transformation aus dem Pop- in das Jazz-Universum liefern Vocality mit Peter Gabriels „Don’t Give Up“.

Vocality (v.l.: Dieter „Zipper“ Schmigelok, Oliver Gies, Nils Ole Peters, Markus Horn, Claudia Burghard, Lars Hansen) (Foto: Steffi Schröder)
Das Sextett gibt manches auf, um es umso grandioser wiederzugewinnen. Vor allem, wenn sich die Sänger in den Scat-Improvisationen nicht verlieren (wie es im ersten Moment scheint), sondern sie konsequent blue-notend zum Jazz-Symphonischen ausbauen. Das ist toll, weil Sex, wenn er gut ist, immer etwas mit inniger Liebe zu tun hat, was Vocality musikalisch spürbar machen.
„Die ewig gleichen Akkordfolgen des Pop”, so Oliver Gies, brauchen ein jazzy „Update 2.0“, welches das in ihnen schlummernde Potenzial aus dem Dornröschenschlaf weckt – die Dornenhecke inklusive. So wird der ohnehin gute James-Taylor-Song „Enough To Be On Your Way” ebenso zum neuen Jazz wie die bezaubernden Paul Simon-Balladen „Cecilia” und „Bridge Over Troubled Water“. Und wenn gegen Ende der Standard „It Don’t Mean A Thing“ nicht nur swingt, sondern „poppt“, dann ist das unbedingt guter Jazz-Sex.
Infos und Hörproben: www.vocality-jazz.de
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