Kat Frankies Sehnsuchts-Songs waren im Orange Club nicht nur herzschmerzig
Von Jörg Meyer
Kiel. Trip-Hop hätte man das wohl in den späten 90er und frühen 2000er Jahren genannt, wohin die aus Sydney stammende Wahl-Berlinerin Kat Frankie auf ihrem jüngsten Album „Bad Behaviour“ ihre Songs auf eine Zeitreise „zurück in die Zukunft“ des Singer-Songwriter-Pop schickt. Im Orange Club der Traum GmbH schlägt sie aus tiefer Melancholie und sehnsüchtigem Herzschmerz manchen elektro-poppigen und rockigen Funken, der das Dunkle in neuem Licht erscheinen lässt.
In den ersten, älteren Songs sind ihre vierköpfige Band und sie noch ganz die Frankie, wie wir sie vom 2012er Album mit dem bewusst widersprüchlichen Titel „Please Don’t Give Me What I Want“ kennen: Gelassen ruhig im Downtempo, das bei „The Saint“ mit jazzigen Streicheleinheiten besonders von E-Bass und Schlagzeug beinahe cool bleibt. „Sportlich“, wie sie es selbst nennt, im folgenden Uptempo, welches das Singer-Songwriting in Richtung Rock erweitert – im letzten Song „Home“ vom aktuellen Album sogar mit ebenholz-hartem Hardrock, als hätten die rüden Romantiker Rammstein Pate gestanden.
Hat sich ihr sprechendes Herz also verhärtet, ist es vernarbt gegenüber der Sehnsucht? Keineswegs, denn „wir machen vor dem Konzert Yoga- und Stretching-Übungen“, erzählt sie, noch atemlos von den Uptempos, um den nächsten „eher experimentellen“ (Frankie) Song-Block einzuläuten. Ein roter Seidenschleier weht nun über ihrem Kopf und den Armen, die sich oft gen Himmel strecken, als wäre dort zwar nicht Rettung, aber immerhin luftiger Halt. „Back To Life“ heißt einer dieser Songs aus diesem innerlichen und innigen Universum der Sehnsucht. Ihre Stimme, ohnehin kraftvoll und in den Höhen sehr samtig, verfremdet sie hier elektronisch zu der eines Mannes. Sehnt hier bis zur Selbstaufgabe einer oder eine? Ein Mensch ist’s, dem ein Gott gab, zu sagen, was er – oder eben sie – leide. Kat Frankie nannte es in einem Interview mit dem Berliner Tagesspiegel etwas prosaischer und augenzwinkernd: „So konnte ich ein bisschen mehr sexy Energie hineinlegen.“
Solche überträgt sich unmittelbar auch im nur mit Keyboard begleiteten „Casual Advice“. Dort begibt sich ein verzweifelt liebender Mensch in die Räume, in denen Sehnsucht greifbar wird: eine verlassene Hotelbar mit einem am Rand verbliebenen stummen Klavier, dem sein manch’ melancholisches Lied noch nachhallt. Das wirkt beinahe wie ein Kunstlied à la Schubert, zumal in Kats Lyrik: „End feels like I’m never gone“, frei übersetzt: „Das Ende klingt so, als hätte ich es nie gemacht.“ Nicht anders im mit sphärischen Synthie-Keyboard-Sounds eingeläuteten „Finite“ vom jüngsten Album.
„Ich möchte all diese Gefühle mit euch teilen“, wirbt Kat und fügt fast entschuldigend hinzu: „Keine Angst, gleich ist’s vorbei.“ Und so wird die Sehnsucht zum Ende des Konzerts hin immer wütend aufbegehrender, macht schließlich sogar Spaß, wenn mit „Headed For The Reaper“ die Geschichte eines Boxers erzählt wird, der mit zärtlichen Fäusten sein (Liebes-)Leid trommelt. Dazu schmettert die Trompete von Support-Gast Catt und bringt nicht nur ein Ska-Element hinzu, sondern wir wissen: Sehnsucht ist die Mutter und Kraft aller Liebe – und Liebenden.
Infos und Hör-/Video-Proben: www.katfrankie.com
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