Helmut Schulzeck zeigt in der Werkschau im Kino in der Pumpe seine Frauenbilder
Von Jörg Meyer
Kiel. Noch bis zum 18.4. läuft im Kieler Kino in der Pumpe (zum 65. Geburtstag) eine Werkschau des Kieler Filmemachers Helmut Schulzeck. In deren Rahmen werden am Montag, 8.4., 18:30 Uhr unter dem Titel „Frauenbilder“ noch einmal drei seiner „Mockumentaries“ mit der Schauspielerin Maria Debora Wolf gezeigt („Was ich gerne mag“ (2017, 46 Min.), „Heide“ (D 2017, 8:30 Min.) und „Düsseldorf oder Norbert und Bruno“ (2017, 11 Min. – Helmut Schulzeck über den Film: „Um wen oder was geht es eigentlich hier, fragt sich der Zuschauer. Die Kurzkomödie wirft ein Schlaglicht auf die spießigen Ansichten zweier vorgeblicher Frauenversteher, die schließlich nach andeutungsreichem Wortgefecht ihren Frieden miteinander machen.“), nebst der Kurzdoku „Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“ (2014, 33 Min.) über kenianische Frauen, die in Deutschland leben. Hier dazu zwei Besprechungen, die ich ursprünglich auf www.infomedia-sh.org veröffentlichte.
Die schräge Frau, die ich gerne mag
„Frauenbilder“ titelt ein Filmabend mit drei Kurzfilmen des Kieler Filmemachers Helmut Schulzeck im Kieler Kino in der Pumpe. Abgesehen von dem älteren Film „Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“ über kenianische Einwanderinnen (Youtube-Clip), ist die Protagonistin darin herrlich neben der Spur – und sie heißt Maria Debora Wolf (MDW).
Mit MDW hatte Schulzeck schon zwei „Mockumentaries“ gedreht: „www.betreuteloecher.de“ (2002) und „Löcher im Kopf“ (2014, Youtube-Clip). Beide zeigten Co-Autorin Wolf als eine Verschobene und Verschrobene. Im Nachgang beider Filme war noch mehr Stoff für „Was ich gerne mag“.

Gabi Reichert (MDW) im Fitness-Studio: aus dem Prolog von „Was ich gerne mag“ (Foto: Helmut Schulzeck)
Die Frau (sie heißt hier Gaby Reichert, der Geschichtslehrerin Gabi Teichert aus Alexander Kluges „Die Patriotin“ (mit Hannelore Hoger) nicht unverwandt), die Schulzeck und – trotz oder gerade wegen ihrer Schrägheit – auch der Zuschauer sofort gerne mag, erläutert in sechs Episoden und einem Prolog, was sie gerne mag: Alltägliches bis Schräges, Rotationen im Paternoster bis zur Trommel im Waschsalon.
MDW improvisiert in allen Episoden, redet sich, wie man so sagt, um Kopf und Kragen, weiß immer, aber nimmer, was und wo sie ist – wir als Zuschauer genauso. Das ist so absurd wie schon in der Episode „Paternoster“, wo sie, die im realen Leben Pastorentochter, über das Auf und Ab zwischen Himmel und Hölle sinniert, schließlich volkstümlich davon singt. In „Schwarzarbeit“ ist sie mit den Herren der Bauarbeitsschöpfung am Werk, trinkt mit ihnen (Malz-) Bier und raucht, bis das Fundament für die Gartenterrasse gelegt ist – vorbei am Finanzamt. In „Hundespaziergang“ ist sie die eloquente Hüterin des Kleinviehs, in der „Kleideranprobe“ weiß sie genau, was nicht mehr modisch ist oder noch nie war, in „Waschsalon“ um die Unterwäsche älterer Herren, und in „Zimmer mieten“ erweist sie sich als der Tramp, den einst Charlie Chaplin mimte.
Was kann man gerne mögen, wenn nicht den Alltag mit all seinen Langweiligkeiten? Frau Reichert begibt sich mitten hinein, versinkt darin wortreich, verzaubert ihn und uns. Schulzecks Porträts zeigen eine Frau, die ganz gewöhnlich ist und doch sehr anders. Vielleicht ist sie eine Künstlerin des Alltags? Oder wie die Protagonistin aus„www.betreuteloecher.de“ eine Psychopathin? Beides liegt nah beieinander, das Irre und das Gewöhnliche. Und eben in beidem überzeugen die kompilierten Kurzfilme: Dass sie das Gewöhnliche als ungemein Einziges zeigen.
Aber MDW, Schulzecks Schauspielmuse, kann noch mehr: In „Heide“ mimt sie die ehemalige schleswig-holsteinische Ministerpräsidentin Heide Simonis. Oder ihr Double, das noch das Gesicht hat, das Heide vermeintlich verloren? Sie winkt, wo keiner mehr ihr Winken sieht, außer die stoischen Wachmänner (als einer solcher durfte ich posieren, der auch den Schnitt für „Was ich gerne mag“ besorgte und manchen Erzählertext). Das Kurzfilmpsychogramm gerät ebenso humorvoll wie tragikomisch zu einem Film, der bewusst rätselhaft bleibt. Muss man „Heide“, längst von der öffentlichen Bühne verschwunden, hier wieder auf sie gehoben, kennen, um sie zu verstehen? Gerade nicht! Wer Heide noch kennt, wird das eher – und fälschlich – als „Mockumentary“ sehen. Wer nicht, als einen Film über einen Menschen, der/die verloren ist im Selbstbildnis der Existenz. Und da, meine Herren, wird es fast schon philosophisch … Und eine Frau zu der, die ich gerne mag.
Ankommen in der kalten Heimat
„Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“ (Helmut Schulzeck, D 2014)
Drei junge Kenianerinnen in Deutschland. Sie sind als Aupair-Mädchen bzw. durch ein Jugendaustauschprogramm nach Schleswig-Holstein gekommen. Seit rund vier Jahren leben sie dort und sind inzwischen mit deutschen Männern verheiratet. Der Kieler Filmemacher Helmut Schulzeck, selbst verheiratet mit einer Kenianerin, porträtiert die drei in seinem Dokumentarfilm „Manchmal denk’ ich jetzt auf Deutsch“.
Irene hat ihren Mann in Rendsburg auf dem Bahnhof kennengelernt. Es regnete. Er kam mit einem Regenschirm. Er lud sie zum Kaffee ein, sie gab ihm ihre Telefonnummer – „so hat es dann gefunkt“. Irene sagt: „Die Küche gehört zu den Frauen.“ Irene zeigt freimütig die gemeinsame Wohnung, Küche, Wohn- und Schlafzimmer, obwohl sie weiß, „dass man das bei uns in Kenia nicht macht, das Schlafzimmer ist tabu.“ Ein „Mzungu = weißer Europäer“, denkt man in Kenia, habe Geld. Im gelobten Deutschland sieht es anders aus, da haben manche kein Geld – und nie Zeit. Und sie gelten als „kalt“, was Irenes Erfahrung mit den Mzungus aber nicht bestätigt. Deutschland gefällt ihr, „weil es eine Struktur gibt, Pünktlichkeit“.
Lilian, verheiratet mit Mathias, ist immer noch erstaunt darüber, „dass es hier so kalt ist“. Mathias, der einzige Gatte der drei mit einem Deutschen verheirateten Kenianerinnen, der sich Schulzecks Kamera stellte, verführt Lilian manchmal zum sehr deutschen Spazierengehen und nervt ansonsten seine Angetraute mit den „vielen Hobbies, die Deutsche haben“. Lilian indes schwärmt inzwischen für deutsche Schlager, und Mathias macht um des Familienfriedens Willen mit. Er weiß: „Viele denken, die hat mich nur geheiratet, um in Deutschland zu bleiben“, er aber hat sie geheiratet, um bei ihr zu bleiben.
Auch Susan jetzt aus einem Dorf bei Schleswig hat so ziemlich „alles gemacht, um hier zu bleiben“. Aber „es war nicht einfach“, anzukommen. „Ich war richtig naiv“, blickt Susan auf ihr Ankommen in der norddeutschen Provinz und bei ihrem Ehemann zurück. Die zukünftige Kindergärtnerin weiß: „Wir haben nicht so viel zu diskutieren, ihr diskutiert viel. Hier muss jeder seine Meinung sagen“, sie auch, hätte sie eine, außer im Neuland Wurzeln schlagen zu wollen. „Manchmal denk’ ich auf Deutsch, auch wenn ich bete“, gesteht sie und gibt so Schulzecks Film den Titel.
Drei Frauen aus Kenia, die hier ankommen und das hiesige Leben nolens volens mitgestalten. Dass Migrantinnen eine Bereicherung für unsere verknöcherte deutsche Wohlstandsgesellschaft sind, zeigt Schulzecks Dreier-Porträt. Gerade auch darin, dass die drei kenianischen Frauen sich nicht für übliche Migranten-Stories nutzen lassen, sondern „sehr deutsch“ sind, manchmal provinzieller als die Einheimischen in ihrer aufgesetzten Weltläufigkeit. Gerade solche Erfahrung macht Schulzecks Film zu einem Erlebnis, das Ankommen hinterfragt und ankommen lässt mitten zwischen den sehr deutschen Bildern hierher gekommener Kenianerinnen.
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