Muthesius Kunsthochschule ehrte Ben Patterson

Von Jörg Meyer

Kiel. Zum 85. Geburtstag des New Yorker Fluxus-Pioniers Ben Patterson am Mittwoch war die Kreuzung am Knooper Weg neben dem Muthesius Kunsthochschul-Campus ein bisschen Times Square und Abbey Road. Ann Noel, eigens angereiste Wegbegleiterin Pattersons, schritt an der Ampel zielstrebig voran.

Ein bisschen sei es doch wie bei dem Cover-Foto von Beatles’ „Abbey Road“, sagt der Fotograf unserer Zeitung und drückt auf den Auslöser: Im Gänsemarsch überqueren die rund 20 Teilnehmer der wiederaufgeführten Performance „Traffic Light – A Very Lawful Dance“ den Ampelübergang am Knooper Weg und stellen manchen Abbieger auf die Geduldsprobe. Der Fluxus-Künstler Ben Patterson hatte mit solchem zivil ungehorsamen Straßenübergang 1964 den New Yorker Times Square lahmgelegt, das Kunstwerk als Demo und soziale Bewegung gegen das – auch künstlerische – Establishment.

An der Ampel: Heiko Maschmann und Ann Noel führen die Performance an (Foto: ögyr)

Fluxus hieß das damals, heute wirkt es eher historisch, auch weil kaum ein Passant oder Autofahrer, am schnellen Abbiegen gehindert, das als Kunstaktion wahrnimmt. Oder doch? Schließlich drückt er nervös auf das Gaspedal an einer Ampel in direkter Nachbarschaft zu einer Kunsthochschule. Und ein Radfahrer, ebenfalls wartend, meint: „Achje, die Kunst wiedermal.“

Vorweg im Gänsemarsch, rückwärts gehend, hüpfend auf einem Bein, im Marsch in Zweier- oder Dreier-Phalanx, Ann Noel. Die Künstlerin berichtete vorher im Kesselhaus der Muthesius Kunsthochschule über die schwierige Situation von Performance-Künstlern, die wie Patterson und sie nach Europa und Deutschland kamen, um dort ihre Kunst „zu leben“.

Fluxus ist Leben ist Alltag

Eine Ampelüberquerung, ganz alltäglich, kann Kunst werden, wenn man sie als solche inszeniert und wahrnimmt. Ein Teilnehmer meint: „Ich lache nicht darüber, es ist mir ernst.“ Heiko Maschmann, Leiter des Seminars für Performance, Neue Musik und Notation, bestätigt, während die Ampel schon wieder grün zum Gänsemarsch ruft: „Bei Mario Barth soll man lachen, bei Patterson darf man lachen, das ist der Unterschied.“ Und so folgt die fünfzehnte Ampelquerung, lächelnd, ganz brav und doch so aufsässig.