Henning Schöttke legt mit „Invidias Gesetze“ den fünften Roman seiner Todsünden-Reihe vor

Von Jörg Meyer

Kronshagen. Seit nunmehr zehn Jahren beschäftigt sich Henning Schöttke in seiner auf sieben Bände angelegten Romanreihe mit den Sieben Todsünden. Im fünften Band „Invidias Gesetze“ geht es um die Todsünde des Neids (lateinisch: Invidia). Wobei die Todsünden in allen Romanen „symbolhaft für mit ihnen in Beziehung stehende existentielle Grundlagen des Lebens“ stehen, sagt Schöttke. Im 2017 erschienenen „Superbias Lied“ stehen Eitelkeit und Hochmut für die Kunst und nunmehr in „Invidias Gesetze“ Neid und Eifersucht für Recht und Schuld.

Henning Schöttke (Foto: Gertje König)

Solche dialektisch verschachtelten Symbolsysteme übersetzt Schöttke in eine Erzählkunst, die mit Vor- und Rückblenden sowie zahlreichen Querbezügen innerhalb des Romans und zu den anderen der Heptalogie hochgradig durchorganisiert ist. Der „Plot“ der spannenden Mischung aus Charakterstudie und Psychothriller lässt sich knapp wie folgt zusammenfassen: Invidia wächst in den späten 50ern bei ihrem gewalttätigen Vater und frömmelnder Mutter auf. Sie ist fasziniert von Schuld, Strafe – und Fesselfantasien. Später wird sie Staatsanwältin für Sexualdelikte und lebt im Zwiespalt zwischen ihren schuldbeladenen masochistischen Fantasien und den realen Sexualstraftaten. Eine Art „Coming out“ bringt erst eine geheimnisvolle Bedrohung, die sich in ihr Leben schleicht …

Cover des jüngst erschienenen fünften Bandes (Foto: Verlag Stories & Friends)

„In meiner Reihe ist dieser Roman der erste, der sich auch explizit mit Schuld und Sünde beschäftigt“, weiß Schöttke – nicht zuletzt durch das Zeitkolorit einer Epoche der Verdrängung historischer Verschuldung und einer „geradezu alttestamentarischen Furcht vor dem strafenden Gott“. Wieder hat Schöttke detailiert recherchiert. Von einem Richter ließ er sich zu Invidias Sexualstrafprozessen beraten, studierte Kriminalfälle wie den Missbrauchskandal an der Odenwaldschule. Mit einem befreundeten Therapeuten spielte er in einer Art „Method Acting“ sogar Invidias Psychotherapie durch und „therapierte dabei die Figur“. Ebenso setzte er sich mit der Psychodynamik des Masochismus auseinander, wobei ihm, so berichtet der Autor lachend, „die Quelle ’Fifty Shades of Grey’ weniger als Null brachte“, eher schon die Beschäftigung mit „schwarzer Pädagogik à la ’Struwwelpeter’“.

Henning Schöttke ist ein im besten Doppelsinn des Wortes fesselnder Roman gelungen. Wenn die Bedrohung durch einen von Invidia zu unrecht Angeklagten, der sich an ihr rächen will, ganz harmlos mit ausgetauschten Bonbons im Handschuhfach ihres Autos beginnt, steht Horror-Meister Stephen King, eines der Vorbilder Schöttkes, nicht nur Pate, die Gänsehäute sind ganz wie bei ihm.

Henning Schöttke stellt „Invidias Gesetze“ (Stories & Friends, 320 S., 14,90 €) am Freitag, 22.11., 20 Uhr im Literaturhaus Schleswig-Holstein (Kiel, Schwanenweg 13) vor. Noch bis zum Sonntag, 24.11. liest er am Literaturtelefon unter 0431/901-8888 und www.literaturtelefon-online.de aus dem Roman.