Zum zweiten Mal fantasiereiches Kopf-Kino beim Drehbuchpreis Schleswig-Holstein
Von Jörg Meyer
Kiel. Und ewig grüßt nicht das Murmeltier, sondern der Schokopudding: „12 Uhr 30. Küche. Innensicht aus dem Kühlschrank. Thomas öffnet ihn. Vor ihm ein Schoko-Sahne-Pudding …“ Im steten Rhythmus der Arbeitstage wiederkehrende Regieanweisung aus „Einer für zwei“ von Chantelle Bissinger, eines von vier Kurzfilmdrehbüchern, nominiert für den Drehbuchpreis Schleswig-Holstein 2019.

„Einer für zwei“ von Chantelle Bissinger (Mitte) gefiel der Jury (v.l.: Heikedine Körting, Martin Rehbock, Nicole Armbruster) am besten (rechts daneben: Klaus Sälzer, Generalsekretär der P.E.S.-Stiftung, und Moderator Horst Hoof). (Foto: Marco Knopp)
Den hatte nach der Premiere 2018 und auf Initiatitve von Filmemacher Christian Mertens der Verein Filmkultur SH zum zweiten Mal ausgelobt. 1.000 Euro Preisgeld kamen wieder von der Peter und Elke Stoffers-Stiftung, und wie im letzten Jahr war der große Kinosaal im Studio Filmtheater ausverkauft. Kein Wunder, denn die Lesung aus den unter 80 Einsendungen vorausgewählten Drehbüchern bietet die Fantasie anregendes Kopf-Kino – nicht zuletzt durch das Live-Hörspiel der hochkarätigen Vorleser, die Schauspieler Barabara Krabbe, Moritz A. Wandl und Makko Gebbert, die Sprecherinnen Sarah Vogel und Liza Ohm sowie Fettes Brot-Musiker Björn Beton.
Auch dem wortkargen Büro-Nerd Thomas und seiner Kollegin Kati, die sich via Kampf um den Schokopudding in jeder Mittagspause ineinander verlieben, leihen sie ihre Stimme. Die Jury mit Hörspiel-Ikone Heikedine Körting (Produzentin unter anderem der Reihe „TKKG“) und den Drehbuchautoren Nicole Armbruster und Martin Rehbock lobte am „sehr rhythmisch, fast musikalisch geschriebenen“ Drehbuch der Preisträgerin Chantelle Bissinger die „herausragende Visualität und seine schönen Beobachtungen in der Figurenzeichnung“.
Auch in „Dienstags Ananas“ von Jantje Knecht wird eine Liebesbeziehung, die zwischen Großvater und Enkelin, humorvoll und pointiert gezeichnet. Vorleserin Sarah Vogel ist von dem „Paar“, das nach dem Tod der Großmutter gleichsam als Ersatz für die letzte (Gondel-) Fahrt nach Venedig reist, so gerührt, dass sie „beim Lesen immer wieder weinen muss“. Ein tabu-beladenes Thema packt Hille Norden in „Pädo-Boi!“ an. Boi soll die Tochter eines Freundes „babysitten“, hat davor aber Angst, denn er „liebt Kinder mehr als ihm lieb ist“. Als er sich mit Lillys Zahnbürste über die Zunge streicht, um sie nicht selbst zu berühren, könnte man im Saal die bekannte Stecknadel fallen hören, so atemlos bestürzt und gespannt zugleich ist das Publikum.

Linn und Luka Peltzer (links) gewannen mit „Tischmanieren“ den Publikumspreis (rechts: Moderator Horst Hoof). (Foto: Marco Knopp)
Den Publikumspreis vergibt es dennoch lieber an „Tischmanieren“ von Linn und Luka Peltzer. Darin kommt eine ebenso reiche wie divenhafte Oma zu Besuch bei den aus ihrer Sicht schlecht erzogenen Enkeln und lernt, das man Zuneigung weder kaufen, noch verkaufen kann.
Am Ende hoffen begeisterte Zuhörer beziehungsweise Zuschauer im Kopf-Kino auf eine baldige Verfilmung der Drehbücher. Wie hervorragend das mit dem letztjährigen Gewinner „Boje“ von Robert Köhler und Andreas Cordes klappte, zeigen Kurzfilm und Comic-Adaption von Illustrator Jonas Fischer. Und auch im nächsten Jahr geht’s weiter mit dem neuen Format – dann mit 10.000 Euro Unterstützung von der Filmförderung Hamburg Schleswig-Holstein, wie Geschäftsführer Helge Albers ankündigte.
Infos: www.drehbuchpreis-sh.de
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