Hannes Hansen stellt im Literaturhaus Schleswig-Holstein seinen Roman „Jenes volle satte Gelb“ vor

Von Christoph Munk

Kiel. Der Buchtitel ist trügerisch: „Jenes volle satte Gelb“ scheint auf eine Stadt hinzuweisen, für die diese Farbe kennzeichnend ist. Doch der Autor wendet ein, der Ortsname werde in seinem Roman niemals genannt. Richtig. Aber als er ihn jetzt im Kieler Literaturhaus vorstellte, wissen viele seiner Zuhörer, dass Hannes Hansens literarische Reise zwar in die eigene Geburtsstadt, aber nicht vollständig in die eigene Vergangenheit führt: Es geht zwar unübersehbar um Potsdam, aber aufgedeckt werden allenfalls ein paar Brocken Lebenserinnerung des Autors.

Hannes Hansen auf dem Lesepodium im Literaturhaus. (Foto privat)

Heimspiel für Hannes Hansen – nicht nur weil ich als sein Blog-Kollege berichte: Der kleine Saal steckt voller Vertrauter: Schulkameraden, Nachbarn, Kneipenbekannte, Weggefährten, Kumpel, langjährigen Freunde. Fast überflüssig und doch sympathisch, dass Literaturhaus-Chef Wolfgang Sandfuchs den Lesegast und sein Werk vorstellt. Man ist gewissermaßen unter sich und weiß, was kommen wird: ein verspielt sprachmächtiger Ausflug in Geschichten und Szenen; detailgenaue Beobachtung der Realität geschmeidig vermischt mit freier Erfindung. Die Grenzen zerfließen.

Der Kieler Autor wählt geschickt aus. Zunächst führt er seine Zuhörer an den Schaufenstern der Hauptstraße vorbei, wo – gerade finden die beiden Deutschlands wieder zusammen – „die Insignien des neuen Wohlstandes“ ausliegen und daneben die „tausenderlei Abbildungen jenes Königs, der die Stadt berühmt gemacht hat“. Keine Zweifel: Zeit und Ort sind eingekreist. Dann begleitet der Autor seinen Protagonisten Georg zum Haus, in dem Oma wohnte, dann aber vor allem ins Nachbargebäude zu Tante Hedda. Plötzlich steht Friederike vor der Tür und löst Erinnerung aus: „Die Jahre liefen rückwärts“. Alles scheint unverändert: Das Klavier im Wohnzimmer steht an der gleichen Stelle wie früher, ebenso im Eichenschrank die Sophien-Ausgabe von Goethes Werken…

Doch in der Erzählung von Georgs Rückkehr in seine Stadt, ist nicht alles so, wie es im Gedächtnis der des Autors geblieben ist. Tante Hedda existierte wirklich, erklärt er, auch das Haus und das Klavier. Aber Friederike sei Fiktion und mit ihr die ganze Geschichte von einer jungen, großen Liebe, die damals die deutsche Teilung abbrach. So lebensnah das bewegende Wiedersehen geschildert ist, Hannes Hansen hat es herbei geträumt. Denn er lockt in ein Vexierspiel: Zeitebenen kippen vom Gestern ins Vorgestern und wieder zurück. Im Reigen der Figuren tanzen reale Gestalten mit Phantasiegeburten.

Muss der Leser das Wechselspiel durchschauen?  Keineswegs. Denn Roman bleibt Roman, jeder weiß das. Die Zuhörer am Abend im Literaturhaus aber dürften – mehr oder weniger – ihren Hannes Hansen kennen. Für alle anderen lässt schon die knappe Biografie am Ende des Buches erkennen, dass der Autor seit seiner Jugendzeit fest in Kiel verwurzelt ist. Wer aber (wie ich) einmal das Vergnügen hatte, von Hannes durch Potsdam geführt zu werden, durfte erfahren, wie intensiv er dort seinen Spuren folgt, um seine Heimat zu finden. Denn sie treibt in Herz und Hirn sowohl Erinnerung als auch Erfindungskraft an. Die Fähigkeit des Schriftstellers, beide Quellen elegant ineinander fließen zu lassen, bildet den besonderen Reiz seines aktuellen Werkes. Nüchtern betrachtet: „Jenes volle satte Gelb“ ist eben weder Stadtporträt noch Autobiografie, sondern – wie der Untertitel verrät – „Ein zeitgeschichtlicher Roman aus der Wendezeit“. Allerdings spielt der Autor am Rande mit.

Hannes Hansen: Jenes volle satte Gelb, ISBN: 978-3-925573-897  1. Auflage 2019 | Hardcover | 144 Seiten |  edition:grabener im Grabener Verlag | Preis: 16,10 Euro

Hannes Hansen las am Literaturtelefon Kiel aus seinem Roman.