Beim Philharmonic Poetry Slam konzertierten im Kieler Schloss Philharmonisches und Poetisches
Von Jörg Meyer
Kiel. „Wer war noch nie bei einem Poetry Slam?“, fragt Moderator Björn Högsdal das Publikum. Da gehen im fast ausverkauften Schloss doch recht viele Arme hoch. Selbst in der Reihe „Con Spirito“, wo es immer um Crossover und über Genregrenzen hinweg geht, hat mancher Konzertgast von Slam-Poetry noch nie etwas gehört. Das soll in dem Experiment, welches das Philharmonische Orchester und vier schleswig-holsteinische Slam-Poeten hier wagen, anders werden. Und so finden sich auch manche Jüngere im Publikum, die auf Dirigent Benjamin Reiners’ Frage, wer denn noch nie in einem philharmonischen Konzert gewesen sei, den Arm heben.
„Wasser, Meer und Liebe“ heißt das gemeinsame Thema, über das Philharmoniker und Poeten konzertieren. Nach der Ouvertüre mit Klaus Doldingers Filmmusik zu „Das Boot“ gibt Reiners „eine der klassischen Schnulzen schlechthin“ vor, die Barcarole aus Offenbachs „Hoffmanns Erzählungen“. Mona Harry antwortet mit ihrer schon oft gehörten Liebeserklärung an den Norden und lässt ihren Reimfluss in den sechs Achteln der Barcarole schwojen. Die Steilvorlage für Victoria Helene Bergemann sind Peer Gynts Lügengeschichten, einst bedichtet von Ibsen, dann vertont von Grieg in der „Peer-Gynt-Suite“ und nun neu interpretiert als heiteres „Seefrausgarn“, in das Bergemann die beinahe philosophische Frage spinnt: „Ist die Lüge eine Lüge, wenn die Wahrheit gar nicht da ist?“
„In Naturgewalten steckt unfassbar viel Poesie“, weiß Michel Kühn und stellt „Ebbe und Flut“ aus Telemanns „Wassermusik“-Suite sein Gedicht „Herz aus Stein“ zur Seite, in dem die geradezu mythische Liebe von Tropfsteinen besungen wird, die sich als Stalaktit und „Stalagmitin“ im kalksteinernen Kuss zum Stalagnat vereinen. Doch das Meer ist auch ein gefährlicher Ort, hörbar in John Williams’ Filmmusik zu „Der weiße Hai“. Das nimmt Florian Hacke zum Anlass, den Faschismus anzuprangern, der mit Höcke und Co. wieder seine Zähne fletscht. „Nie wieder ist jetzt!“, warnt er in seiner ergreifenden Suada, fischt dafür stehende Ovationen und zieht mit 48 von 50 möglichen Punkten wie Michel Kühn ins Finale ein.
Vor solchem, das Kühn mit seiner Parodie „Metakreis“ knapp gewinnt, treiben Reiners und das Orchester zusammen mit dem Special Guest Yunus das Experiment noch eine Stufe weiter. Yunus ist Slam-Poet aus Hannover und rappt zur Jazz-Bratsche. Für seine Hip-Hop-Songs „Mon amour“ und „Lost in Kulmbach“ gibt es Orchesterarrangements, die hier uraufgeführt werden. Das wirkt dann doch ein wenig wie Crossover um des Crossovers Willen. Genauso die Live-Performance aller vier Poeten zu Wagners „Fliegender Holländer“-Ouvertüre. Dennoch ein rundum gelungenes Experiment, das mit Klaus Badelts Filmmusik zu „Pirates of the Caribbean“ reich beklatscht endet.
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