Im Polnischen Theater ist Tadeusz Galia „Der Liftverweigerer“

Von Hannes Hansen

Kiel. Seit sein Hund Kafka vor vielen Jahren gestorben ist, ist es einsam geworden um den alten Mann in der Zweizimmerwohnung im siebten Stock eines Mietshauses, in dem niemand etwas vom Nachbarn weiß oder wissen will. Knapp, dass man sich mürrisch Guten Tag sagt und im Lift angestrengt an einander vorbei schaut.

Da kann man schon einmal auf den Gedanken kommen, statt mit einem Menschen mit diesem Lift zu reden. Und eben dass tut der alte Mann in Bengt Ahlfors’ Monodrama „Der Liftverweigerer“. Dass sein seltsamer Gesprächspartner nicht antwortet, ist zwar nicht schön, aber auch nicht zu ändern, und irgendwie findet der Vereinsamte immer wieder einen Kniff, sich seine Situation, wenn nicht gleich schön zu reden, so doch das Beste aus ihr zu machen. Und so ist der alte Mann alles zugleich, ein Verbitterter und ein listiger Luftikus, Zyniker und Menschenfreund. Irgendwie, so verspricht er sich, wird sich schon eine Lösung finden. Wenn da nur nicht der dringende Rat seines Arztes wäre, sich aus gesundheitlichen Gründen dem Lift zu verweigern und die sieben Stockwerke bis zu seiner Wohnung zu Fuß zu bewältigen. Aber gemach, geschmeidig bleiben heißt die Devise, und als Zuschauer weiß man ein ums andere Mal nicht, soll man über oder mit dem alten Mann lachen, soll man um sein Geschick mit ihm trauern oder ihn bewundern, wie er selbst den größten Widrigkeiten des Lebens noch eine gute Seite abgewinnt.

Im Polnischen Theater ist in Jutta Ziemkes Inszenierung Tadeusz Galia dieser alte Mann. Und er stellt ihn auf die Bühne mit dem, was man einst eine „ausgestellte“ Sprache, Gestik und Mimik nannte, mit einem antinaturalistischen, artifiziellen Duktus, wie er in Deutschland zugunsten einer angeblich „realistischen“ Theatersprache selten geworden ist.

Mit wahrer Feinziselierung präpariert Tadeusz Galia die wechselnden Gemütszustande seiner Figur wie auf dem Seziertisch geradezu heraus. Da hat jedes Heben der Augenbraue seine Bedeutung, erhellen eine scheinbar noch so nebensächliche Handbewegung, eine minimale Veränderung von Lautstärke und Sprechgeschwindigkeit Seelenzstände wie unter einem Vergrößerungsglas. Tadeusz Galia folgt damit einer Bühnentradition, die wer will altmodisch nennen mag. Das Publikum bei der Premiere war begeistert – und ich auch.

Nächste Vorstellungen siehe www.polnisches-theater-kiel.de