Mariem Hassan – Die unbeugsame Stimme
Von Hannes Hansen
Über vierzig Jahre schon dauert die illegale und von der UNO verurteilte Besetzung der Westsahara durch Marokko. Jahre, in denen die Saharauis eine eigene Infrastruktur mit einer Exilregierung in einem algerischen Flüchtlingslager, mit Schulen und vielfältigen kulturellen Aktivitäten geschaffen haben. Für die Rechte ihres Volkes trat Mariem Hassan, die vor fünf Jahren verstorbene „Stimme ihres Volkes“, auf Kundgebungen und in Konzerten auf allen Kontinenten ein. In der ganzen Welt war sie bekannt als die Stimme ihres Volkes, für die Saharauis und für ganz Afrika so wichtig wie Miriam Makeba für die Schwarzen Südafrikas. Eine raue, eine kraftvolle Stimme, heiß wie der Wüstensand, in dem Mariem Hassan mit ihrer Familie viele Jahre lebte.
Mit ihren Liedern war Mariem Hassan, wie die spanische Zeitung „El País“ in ihrem Nachruf schreibt, „fähig, Verzweiflung und Hoffnung auszudrücken … Ihr Schrei war der Schrei ihres Volkes, ein Schrei nach Freiheit.“ Sie sang von den Sehnsüchten und Wünschen der Saharauis, der Hoffnung auf Heimkehr, von Liebe und Überlebenswillen, von starken Männern und tapferen Frauen und immer wieder von dem unbezwingbaren Willen, ein Leben in Würde zu führen. Mariem Hassans Lieder waren ein Aufschrei, waren Klage und Anklage.
Sie sang auf Hasania, der Sprache der Saharauis, aber ihre Botschaft teilt sich unmittelbar mit. Ihre Volkslieder stehen in der musikalischen Tradition des „haul“, einer schwarzafrikanisch-berberischen Mischform, ihre politischen Kampfgesänge sind, traditionell in Struktur und Stimmführung, modern in der Textgestaltung und Instrumentierung. Diese Mischung ergibt eine eigene Variante von World Music, eine Art Wüstenblues – freilich ohne die Struktur des amerikanischen Blues – von hoher Intensität.
Eine Hommage an die Sängerin bietet jetzt das mit einer Unzahl von Fotografien reich bebilderte Buch „Mariem Hassan – Die unbeugsame Stimme der Westsahara” von Manuel Domínguez und Zazie Schubert-Wurr. Die beiden Betreiber des Independent Labels „Nubenegra”, das sich auf Weltmusik spezialisiert hat, dokumentieren gemeinsame Konzertreisen, lassen Kollegen und Weggefährten zu Wort kommen und geben einen Einblick in den Alltag in den Flüchtlingscamps der Saharauis.
Manuel Domínguez, Zazie Schubert-Wurr, „Mariam Hassan – Die unbeugsame Stimme (der Westsahara)”, Frieling Verlag, 259 S., Hunderte von Fotografien, 29,90 Euro.
Mariem Hassan ist verstummt. Ihre CDs sind bei dem Label Nubenegra erschienen. In Deutschland sind sie beim Berliner Kulturkaufhaus Dussmann und bei Amazon erhältlich. Proben ihrer Lieder sind auf YouTube unter „promonubenegra“ zu hören.
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