Reimer Boy Eilers’ Roman „Das Helgoland, der Höllensturz“ – ein Lesevergnügen
Von Hannes Hansen
Auf der Insel Helgoland geht es vor fünf Jahrhunderten wild zu. Der holländische Kapitän Hans Andahlsen der St. Laurentius kommt auf mysteriöse Weise ums Leben. Bald darauf wird auch ein weiterer Seemann ermordet und, als ob es nicht genug der Toten wäre, auch die Magd Smutter Gintje. Wegen der Fährkosten für die Überfahrt zum Friedhof der Namenlosen auf der Düne vor Helgoland kommt es zum Streit, das Begräbnis erweist sich als gefährlich, Magie, Aberglaube und Suff bringen das Leben auf der Insel durcheinander. Und so hat der fromme Pastor Neocurrus, der „Blaue Wegerich“, ein ums andere Mal Anlass, um das Seelenheil seiner Schäfchen zu barmen.
Man rätselt, wer der Mehrfach(?)-Mörder gewesen sein mag. War es der undurchsichtige neue Kapitän der St. Laurentius Jan Garbsen (Katholik!), oder der Matrose Piet Jordans, der wohl nicht ohne Grund den Beinamen „das Messer“ trägt? Oder doch ein Einheimischer?
Der junge Fischer Pay Edel und sein grönländischer Freund John Qivitok McLeod gehen der Sache auf den Grund. Pays Werbung um die schöne Peerke Volquardsen muss dabei ebenso hintanstehen wie die John Qivitoks um Pays Schwester Trine, die wiederum vorerst dem dänischen Gouverneur die Wirtschaft führt und ihm möglicherweise – so genau weiß man das nicht – die reichlich bemessenen Ruhestunden versüßt.
Werden die beiden Freunde das Rätsel lösen und ihre Angebeteten unter Pastor Neocurrus‘ Segen in den sicheren Hafen der Ehe führen? Das sei hier nicht verraten. Das würde das Vergnügen an Reimer Boy Eilers‘ Roman „Das Helgoland, der Höllensturz“ nur schmälern. Das wollen wir aber nicht, denn die Mischung aus Krimi und Räuberpistole, aus Schwank, Schelmen-, Schauer- und Abenteuerroman ist das reinste Lesevergnügen. Wie die Kardeele einer Trosse schlingt der auf Helgoland aufgewachsene Lyriker, Romancier und Reiseschriftsteller die vielfarbigen Erzählstränge um- und ineinander. Die unerhörten Begebenheiten mit ihren zahlreichen ironischen Seitenhieben, ihren Döntjes und Schnurren fügen sich zu einem Erzählwerk zusammen, das man einen Schmöker nennen möchte, hätte dieses Wort nicht solch einen negativen Beigeschmack.
Stevensons „Schatzinsel“ oder Melvilles „Moby Dick“, vor allem aber Albert Vigoleis Thelens grandioser Schelmenroman „Die Insel des zweiten Gesichts“ kommen einem bei der Lektüre in den Sinn. Dass wir Leser dabei in der heutigen Zeit leben, machen mit Bedacht gewählte Bildbrüche und Verschiebung der Zeitebene deutlich, etwa wenn einem Protagonisten eine „Kolportage“ „auf den Senkel geht“. Und wenn die Magd Smutter Gintje den Mord an dem Kapitän mit den Worten
Auf der schönen roten Insel
Fällt ein Mann auf sein Gesicht.
Und ein andrer trägt ein Messer
Und man sieht nicht, wenn er sticht.
bedichtet, möchte man gleich Brechts Macky-Messer-Song mitsummen.
Reimer Boy Eilers: „Das Helgoland, der Höllensturz“, Roman mit zahlreichen Abbildungen, 563 S., Kulturmaschinen Verlag, gebundenes Buch 32 €, Taschenbuch 19 €, e-book 6,99 €.
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