Johannes Ender inszeniert am Kieler Schauspielhaus die Bühnenfassung von „Homo Faber“

Von Hannes Hansen

Marko Gebbert (Fotos: Olaf Struck)

Kiel. Hannah Landes’ Bühne im Kieler Schauspielhaus ist ein unordentlicher Haufen von Möbeln, Lampen, Koffern, Holz und allerlei Tand. Was zunächst wie ein realistischer Sperrmüllberg nach einem Flugzeugabsturz aussieht, entpuppt sich im Verlauf von Kerstin Daibers und Johannes Enders Bühnenfassung von Max Frischs Roman „Homo Faber“ zunehmend als Metapher für den Seelenzustand des Titelhelden, des Ingenieurs Walter Faber. Eines empfindungsarmen Technokraten, der Gefühle für Ermüdungserscheinungen hält und schuldig wird am Tod seiner Tochter.

Auf diesen Schauplatz huschen drei Gestalten in silbrig glänzenden Schutzanzügen, wie wir sie von Bildern nach einem Atomkraftwerksunfall kennen. Eine zückt einen Geigerzähler – der tickt. Dann versprüht eine andere ein Desinfektionsmittel – das Ticken hört auf und wir verstehen, hier wird eine Metapher zur Metapher zur Metapher: Müll bedeutet seelische Armut, diese signalisiert die Zerstörung der Welt, die wiederum Pandemie und die Hilflosigkeit. Die überdrehte Visualisierung eines mehrfach gebrochenen Subtextes wird nicht der einzige alberne Einfall von Regisseur Johannes Ender bleiben.

Wie zuvor schon Volkmar Kamm in seiner Inszenierung des „Homo Faber“ am Stuttgarter Schauspielhaus von 2007 spalten Regisseur und Dramaturgie alle Handelnden in Berichtende und Handelnde auf, in erzählende Distanz und erlebte Nähe. Eine durchaus sinnfällige Vergegenwärtigung des Romantextes in blitzschnellem Wechsel von erinnerter Vergangenheit und durchlittener Gegenwart, von Selbstrechtfertigung und Scheitern.

Yvonne Ruprecht, Marko Gebbert

Leider aber geht die Regie darüber noch hinaus, indem sie die Akteure einen ständigen Rollenwechsel vornehmen lässt. So sind Yvonne Ruprecht als Hanna, die einstige Geliebte von Marko Gebberts Walter Faber, und Eva Kewer, deren gemeinsame Tochter Elisabeth, nicht nur sie selbst, sondern immer auch und immer wieder ihr Gegenpart und abwechselnd Reiseführer, Archäologen oder fette Amerikaner. Dieser Max-Frisch-Text reloaded ist so zugleich eine hilflose 2.0-Version von Brechts Verfremdungstheorie. Hilflos, weil sie zum Verständnis des Geschehens nichts beiträgt und den Zuschauer, statt ihm die Veränderbarkeit der Verhältnisse zu zeigen, eher verwirrt. Das grelle, grobschlächtige Ende des Spektakels schließlich macht das der Romanversion, die alles in der Schwebe lässt, in der sich Walter Faber durchgehend befindet, zur Schmonzette.

Eva Kewer

Marko Gebberts Walter Faber ist abwechselnd ein verstockter Selbstrechtfertiger und ein händeringender Barmender oder später ein schuldbeladener Verzweifelter, immer aber ein Wüterich, was ihm und der Regie die Möglichkeit nimmt, aufdämmernde Einsicht anschaulich zu machen. Yvonne Ruprechts Hanna ist vor allem Muttertier und jenseits dieses Typus wenig und muss überdies einen übergewichtigen Texaner als Karikatur eines Mannes abgeben, wie ihn sich der kleine Moritz als Trump-Anhänger vorstellt. Eva Kewer zeichnet mit Fabers und Hannas Tochter und späteren Geliebten ihres ebenso wie sie nichtsahnenden Vaters das Bild eines charmanten, zwischen Schüchternheit und Koketterie schwankenden jungen Mädchens. Einen wirklich anrührenden Moment hat sie, als sie eine romantisch verklärte Mondfinsternis tänzerisch interpretiert. In diesem Moment wird die zerbrechliche Anmut eines sich entfaltenden, dabei bereits zerstörten Lebens deutlich.

Termine: www.theater-kiel.de