Daniel Karasek inszeniert Alan Ayckbourns „Raucher / Nichtraucher“ im Kieler Schauspiel

Von Christoph Munk

Kiel. Raffinierter Szenenaufbau und geschliffene Dialoge kennzeichnen die mit allen Wassern gewaschene Kunst des britischen Dramatikers Alan Ayckbourn. Der trieb vor fast 40 Jahren mit „Intimate Exchanges“ sein Konstruktionshandwerk auf die Spitze und flocht ein Netzwerk von Szenen, gewissermaßen ein ausgekochtes Menü von über 30 Gängen, Unterhaltungsfutter für ungefähr acht Theaterabende. Ein einzelnes Häppchen aus dieser Speisenfolge serviert das Kieler Schauspiel jetzt unter dem Titel „Raucher / Nichtraucher“. Inszeniert und eher sparsam gewürzt hat die Kostprobe Generalintendant Daniel Karasek.

Alle auf einmal: Fotomontage mit Isabel Baumert und Zacharias Preen in jeweils drei Rollen. (Foto Olaf Struck)

Hätte, hätte, Fahrradkette – nach diesem Prinzip funktioniert Ayckbourns dramaturgischer Aufbau. Was passiert, was passiert nicht, hätte aber passieren können? Die Entscheidung überlässt Ayckbourn Celia, seiner Hauptfigur in der zentralen Eröffnungsszene. Sie greift zur Zigarette und nun liegt es in ihrer Hand: Raucht sie oder raucht sie nicht? Danach richtet sich die Auswahl der Möglichkeiten. Acht Wege hat der Autor so durch das Labyrinth der Szenenstrecken bis zum Ziel gebahnt, dort sind dann jeweils noch zwei Abbiegungen vorgesehen.

Aus gutem Grund hat Ayckbourn in seiner Anmerkung davor gewarnt nur einen der Wege einzuschlagen, also nur eine Fassung zu spielen, denn „theatralisch ist das sehr viel weniger aufregend“. Das Kieler Theaterchef wagt es trotzdem. Unter den Bedingungen von Corona kann er vermutlich nicht anders und kommt  auf über zwei Stunden „weniger aufregender“ Aufführungsdauer.

Daniel Karasek wählt für „Raucher / Nichtraucher“ die Variante „Abenteuer im Zelt“, so wie er auch als Übersetzer und Regisseur die Deutsche Erstaufführung 1997 in Wiesbaden begonnen hat. Das ist also naheliegend. Aber es ist auch bedauerlich, denn der Pfad führt zu Szenen, die gewiss nicht zu den prägnantesten in der Fülle der Ayckbourn-Werke gehören. Vorgeführt wird ein leicht öder Mittelstands-Garten, bebaut von Nina Sievers. Dort welkt die Durchschnitts-Frau Celia dahin. Ihre Ehe mit dem versoffenen Schulleiter Toby ist zerdeppert, eine Liebelei mit dem Gärtner Lionel verkümmert. Ab und zu kreuzt frustriert das Hausmädchen Sylvie auf.

Es folgt als „Abenteuer in Zelt“ eine vorhersehbare Katastrophe, denn Celia hat mit Lionel das Catering eines Schulsport-Festes übernommen. Alles geht schief und endet unter gelegentlicher Mitwirkung des Ausschussvorsitzenden Miles und der Meckertante Irene in Celias als Groteske getarntem Nervenzusammenbruch. Am Ende dann:  Beerdigung in zwei Fassungen, einmal mit Celia als bedauerlichem Wrack, einmal mit ihr als aufgeblühter Geschäftsfrau.

Es gibt wenig zu sagen: Eheszene mit Isabel Baumert und Zacharias Preen. (Foto Olaf Struck)

Auf der langwierigen Strecke soll die Besetzung der sechs Spielfiguren mit nur zwei Darstellern für weiteres Amüsement sorgen. Da lässt sich bewundern, wie gelenkig Ayckbourn mit der Auftrittstechnik spielt und trotz ständiger Kostümwechsel die Szenen im Fluss hält. Und da ließe sich bestaunen, wie die Schauspieler von einer Rolle in die andere springen. Doch damit bin ich schnell durch, denn mir fehlt in allen Fällen eine Schärfe des Profils. Soll ich hervorheben, wie Isabel Baumert den Übergang von Celia zu Sylvie kaum über die Körpersprache sondern simpel durch Steigerung der Lautstärke hinkriegt und später Irene als matte Charge am Stock führt? Soll ich ausmalen, wie Zacharias Preen fast unauffällig vom Proleten Lionel zum Kotzbrocken Toby springt und später immerhin seinen Miles als Tölpel verwackelt?

Regisseur Daniel Karasek regelt das alles. Solide, ohne Blitze, routiniert und ohne Tiefgang, unterkühlt und geläufig. Anders gesagt: Er inszeniert wie sich das für einen Theaterleiter gehört: zuverlässig aus dem Handgelenk.

Info und Termine: www.theater-kiel.de