Von Jörg Meyer
Kiel. Manchmal ist Literatur wirklich am Puls der Zeit – oder ihm sogar voraus. In seiner Kurzgeschichte „Zeit“, die schon seit November im von Hannes Hansen initiierten Schreib-Projekt „Das Schleswig-Holsteinische Dekameron“ online ist, hat der Kronshagener Autor Henning Schöttke den sensationellen Sieg Holstein Kiels im DFB-Pokal gegen Bayern München vorausgesehen.
Der Torwart-Held, der in der Geschichte nicht Ioannis Gelios, sondern Tim Handke heißt und den entscheidenden Elfmeter hält, hat eine seltsame Fähigkeit entwickelt, seit ihn im Spiel gegen Osnabrück ein Ball am Kopf traf: Er sieht die Welt um sich in Zeitlupe, was sein Reaktionsvermögen enorm steigert. „Seitdem habe ich in zehn Spielen nur zwei Tore kassiert. Und jetzt steht Holstein auf Platz drei punktgleich mit dem HSV. Und im DFB-Pokal haben wir es bis ins Finale (gegen die Bayern) geschafft”, lässt Schöttke Tim berichten.
Zwar sind die Störche mit ihrem Sieg zunächst mal „nur“ ins Achtelfinale eingezogen und am Torwart scheiterte nicht Lewandowski, sondern Marc Roca, aber sonst stimmt Schöttkes fabulierte Vorhersage erstaunlich mit dem realen Spielverlauf überein: „Tim sah, wie sich Robert Lewandowski trotz seiner Riesenschritte in Zeitlupe auf den Ball zubewegte, und was auch immer für Körpertäuschungen er versuchte, gegen Tim waren solche Tricks bedeutungslos. Von dem Moment an, als Lewandowskis Fuß sich in die endgültige Richtung bewegte, bis zu seinem Auftreffen auf den Ball vergingen für Tim subjektiv zehn Sekunden. Er machte einen großen Ausfallschritt nach links und der Ball schwebte genau auf seinen Körper zu. Er nahm ihn mühelos aus der Luft.“ Kein Wunder, dass sich Schöttke jetzt fragt: „Kann ich hellsehen?“
Schreibe einen Kommentar