Die Installation „Denkmal für die unbekannten Wanderarbeitenden“ der Schleswig-Holsteinischen Kunstgruppe Kunst & Streben ist ein Sinnbild für die zunehmende Entwurzelung und Heimatlosigkeit der Menschen in unserer Zeit. Der Titel der Installation lädt zu einer Assoziation mit dem „Grabmal des unbekannten Soldaten” in Paris ein. Auch hier stehen „Unbekannte” für eine namenlose Gruppe, die in ihrer Eigenschaft der ganzen Gesellschaft einen Dienst erwiesen haben. Darüber hinaus setzt es all denjenigen ein Denkmal, die ihr Zuhause verlassen müssen um ihre Existenz zu sichern.
Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg ist Deutschland zu einem Profiteur der Fremdarbeiter geworden. Das deutsche Wirtschaftswunder ist den „Gastarbeitern“ der damaligen Zeit zu verdanken, sowie auch der Wohlstand unserer Gesellschaft zum großen Teil auf ihren Leistungen beruht. Mehr denn je profitiert unsere Wirtschaft zurzeit von den prekär beschäftigten Arbeitsnomaden.
Die Installation besteht aus einem für den Straßenverkehr tauglichen Autoanhänger beladen mit elementaren Haushaltsgegenständen, die ein Synonym für ein Minimum an Geborgenheit und ein Zuhause darstellen. Der Anhänger ist goldfarben um den ideellen Wert und die skulpturale Wirkung hervorzuheben.
Das mobile Denkmal steht nun in Kiel auf gewöhnlichen Parkplätzen. Für ein Denkmal ein ungewöhnlicher Ort. Aber dadurch nimmt es auch einen Platz in unserer Mitte ein und steht als Zeichen für die enge Verflechtung der unbekannten Wanderarbeitenden mit unserer eigenen Lebenswirklichkeit (Nachbarschaft/Kiez).
Fördermittel des Ministeriums für Bildung, Wissenschaft und Kultur, Schleswig-Holstein sowie des Amtes für Kultur und Weiterbildung der Landeshauptstadt Kiel ermöglichten die Realisierung des Projektes.
Die Installation wird an vier Orten vom 26.8. bis zum 29.9. für jeweils eine Woche in Kiel präsentiert. Coronabedingt wird um Anmeldung zum gewählten Einweihungstermin unter kunstundstreben@gmx.de gebeten.
- 26.08.2021, 18:30, Feldstraße 114, Weinhaus Tiemann, Einführung: Dr. Peter Kruska, Stadtgalerie Kiel
- 02.09.2021, 18:30, Theodor-Storm-Straße 10, Begrüßung: Rolf Brezinsky, Anwohner
- 10.09. – 18.09.2021, Brunswiker Straße 53 ohne Einweihung
- 19.09.2021,14:00, Bahide-Arslan-Platz, Begrüßung: Dr. Reyhan Kuyumcu, Türkische Gemeinde Schleswig-Holstein
Infos über Kunst & Streben: Kunstundstreben.tumblr.com
(nach einer Pressemitteilung von Kunst & Streben)
29. August 2021 um 16:32
Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg habe Deutschland von den Arbeitsnomaden profitiert … Je nun, dieser Blickwinkel verzerrt ein wenig die tatsächlichen Verhältnisse, die ein wenig weiter zurückreichen, nämlich Jahrhunderte alt sind. Wäre die Magdeburger Börde ohne ihre Sachsengänger gewesen, die, aus West- und Ostpreußen kommend, im Zuckerrübenbau der preußischen Provinz Sachsen schufteten. Was wären die ostelbischen Provinzen Ost- und Westpreußen ohne ihre Wanderarbeiter aus Russisch-Polen und Galizien gewesen, die die Stellen der Sachsengänger ausfüllten? Und was wären wiederum die Niederlande gewesen ohne die deutschen Wanderarbeiter, die dort den Arbeitskräftemangel bewältigen halfen? Das Phänomen der Wanderarbeit und der Arbeitswanderung ist uralt. Es tritt immer und überall dort auf, wo in nicht allzuweit voneinander entfernten Gebieten ein gewisses Lohngefälle entsteht oder wenn im Zielgebiet bessere Arbeitsbedingungen herrschen. Deutsche wandern heute zum Arbeiten in die Schweiz, Ärzte nach Norwegen. Dabei gibt es immer Profiteure und Benachteiligte. Ob die in den zurückgebliebenen Gegenden Ostanatoliens lebenden Kurden und ob die in bitterer Armut existierenden Sizilianer nun Profiteure waren oder nicht, ob sie ein Denkmal in Deutschland benötigen, darüber kann man diskutieren (ich würde es bejahen, aber aus etwas anderen Gründen als den im Artikel genannten. Man denke aber in ihren Herkunftsländern einmal darüber nach, ob die Arbeitsmigranten der Nachkriegszeit nicht auch dort ein Denkmal verdient hätten. Immerhin haben sie ihre Heimat verlassen und hier bei uns jahrelang ohne Frau und Kinder gelebt, nur um ihren Familien durch regelmäßige Geldsendungen das Überleben in ihrer bitterarmen Heimat zu ermöglichen.